… oder „Ein fast normaler Wettkampf!“.
Coronabedingt werden leider immer mehr Wettkämpfe abgesagt. Die virtuellen Läufe sprießen wie Pilze aus dem Boden, können mich aber nicht wirklich überzeugt. Und ja, ich habe es probiert. Beim „Marathon In A Day“ bin ich siebenmal um den Elfrather See gelaufen und beim Oktoberfest Lauf 10km bei Sturmböen am Rhein bei entlang. Trotzdem kann ich mich als Medaillensammler nur mäßig über die Medaillen, die ein paar Tage später in der Post sind, freuen. Auf Ergebnislisten habe ich noch gar nicht geschaut. Wozu auch?
Umso mehr freute ich mich, als ich den Viersener Herbstlauf entdeckte. Die Ausschreibung las sich ganz gut, das Hygienekonzept sah Startgruppen von 30 Läufern vor und es sollte zunächst über eine 5km Runde gelaufen werden. Aus der 5km Runde wurde eine 2km Runde, weil der Wald durch den heißen Sommer zu sehr gelitten hatte und nicht alle Wege mehr belaufen werden durfte.
Gemeldet war ich für den 10km Lauf.
Schlechte Vorbereitung
Freitag Abend gab es Carboloading mit Bolten und Chips. Keine gute Kombination, wie mir mein Magen am nächsten Morgen zu verstehen gab. Der Start für den 10km Lauf war für 14:45 Uhr angesetzt. Somit hatten wir noch ausgiebig Zeit für ein paar Besorgungen und ein gemütliches Frühstück.
Gestärkt und einige Toilettengänge später machten wir uns auf den Weg zum Stadion „Hoher Busch“. Dort angekommen bekamen wir noch einen Parkplatz auf dem Ascheplatz und ich konnte meine Startnummer abholen.
Es starteten gerade die Jungs ihr 2.1km Rennen. Ebenfalls in 30er Gruppen wurden sie zur Startlinie geführt und nachdem der Startschuss fiel, gab es kein Halten mehr.
Da wir noch etwas Zeit hatten, bis es für mich soweit war, entschlossen Christina und ich, aus dem Stadion zu gehen und mal die Jungs draußen auf der Strecke anzufeuern. Es dauerte auch nicht lange, bis uns die ersten Jungs entgegen kamen. Jeder wurde beklatscht und angefeuert. Als der Letzte an uns leidend vorbei stolperte machte auch ich mich wieder auf zum Stadion, um mich warm zu machen.
Auf dem Nebenplatz liefen sich schon viele der Läufer warm. Mir fiel was Buntes auf dem Boden auf und da lag ein iPhone mit Geldscheinen in der Schutzschale. Statt mich aufzuwärmen, ging es erstmal zur Anmeldung, um das Teil abzugeben. Dann endlich einlaufen und ein paar Dehnübungen aus der Laufschule machen.
Gut aufgewärmt machte ich mich dann wieder auf ins Stadion, in dessen Innenraum sich schon die anderen Läufer sammelten. „Es wird heute 6 Startgruppen für den 10km Lauf geben! Sortiert Euch bitte nach Euren Zeiten ein, …“ hallte es aus den Lautsprechern. Bei der Masse an Vereinsläufern wählte ich den vorletzten Startblock. Mit mir Standen da noch zwei andere!
Das Rennen
Kurz vor dem Start war dann aber abzusehen, dass sechs Startblöcke doch etwas zu optimistisch waren und so „durften“ wir drei einen Startblock nach vorne ziehen.
Der erste Startschuss fällt und vorne gehen sie ab, wie die Feuerwehr! Es geht zunächst auf eine halbe Stadionrunde und auf der gegenüberliegenden Seite verlassen die Läufer das Stadion, um auf die Waldrunde zu gehen.
Kurz vor meinem Startschuss sehe ich Christina, winke, laufe zu ihr. „Weisst Du eigentlich, dass es hier ordentlich hoch geht?“ fragt sie mich. „Wo es hoch geht, geht es auch wieder runter!“, antworte ich noch vollkommen ahnungslos, drücke ihr einen Kuss auf den Mund, es knallt und vor mir rennen sie los.
Jetzt nur schnell hinter her! Als Vorletzter renne ich über die Startlinie. In der Kurve schaue ich auf die Uhr 4:54er Pace! Mach langsam rede ich mir ein. Heimlich liebäugle ich nach dem virtuellen Oktoberfestlauf mit einer neuen Bestzeit auf 10km.
Wir verlassen das Stadion, die Pace wird nun auch etwas langsamer, irgendwas zwischen 5:10 und 5:25. Alles gut! Es geht in den Wald und schon in den ersten Anstieg. Ich hatte im Vorfeld zwar mal auf das Höhenprofil geschaut, aber das sah eher machbar aus. Wenn es dann laufen muss, ist es doch was anderes!
Der Traum von einer neuen Bestzeit zerplatz also schon auf dem ersten Kilometer.
Das erste Teilstück führt uns durch den Wald, den Bismarckturm lassen wir rechts liegen. Zugegebenermaßen, ich habe ihn gar nicht gesehen, nur später auf der Karte bei Garmin. Hier geht es beinahe nur bergauf. Ein paar Zwischenstücke sind mal gerade oder gehen etwas runter, aber der Großteil dieser Waldpassage ist bergan.
Meine Pace kann ich so bei 5:40 bis 6:00 Minuten halten. Irgendwann, nach einen letzten kleinen Stich nach oben, geht es links aus dem Wald und steil bergab. Waldboden, Geröll und bergrunter, keine gute Kombi! Ich mache langsam, will einen Sturz vermeiden. Dabei muss ich lustig aussehen, das Mädel, das unten als Streckenposten steht lacht herzhaft. Na danke!
Unten angekommen erwartet uns wenigstens erstmal ein geteerter Weg. Was für eine Wohltat. Langsam wieder Tempo aufnehmen. Die lange freie Strecke bietet einen guten Überblick, wer noch so alles in erreichbarer Nähe vor mir läuft.
Ich werfe einen imaginären Anker und ziehe mich an den nächsten Läufer ran.
Das nächste Teilstück führt uns über Kieselsteine zurück zum Stadion. Ekelig zu Laufen! Am Stadion stehen zwei Streckenposten, notieren Startnummer, sowie Rundennummer und winken uns wieder auf die Strecke in den Wald. Nur noch viermal diesen Hügel da hoch. Schon nach ersten Runde überholt mich der Führende, insgesamt macht er das zweimal. Es sei ihm gegönnt.
Kurz vor dem Anstieg in den Wald kann ich einen der beiden Läufer einholen, nach denen ich vorher den Anker geworfen habe. Der zweite wehrt sich noch. Oben nach dem Anstieg in einen ebenen Zwischenpassage bekomme ich ihn aber.
Von hinten kommt wieder jemand angerauscht. Mein panischer Blick geht nach links, als er mich passiert und dann die Erleichterung. Es ist „nur“ einer der mich überrundet und nicht der überholte Läufer von gerade eben.
Es passiert nicht viel aufregendes, die schnelleren Läufer überrunden mich und ich kann während der nächsten Runden immer mal wieder andere Läufer einsammeln, die es wohl zu schnell angegangen sind.
Als es zum vierten Mal den steilen Hügel runter geht, merke ich meine linke Seite. Da habe ich mir bei dem schnellen Lauf in Mülheim irgendwas getan. Eigentlich war das schon wieder in Ordnung. Nun kommt es aber scheinbar wieder durch.
Jetzt bloss nicht einbrechen. Vorsichtig stolpere ich den Hügel runter, biege links ab und nehme wieder Tempo auf. Es geht, kein wirklich großer Schmerz. Die Angst, dass mich jetzt all die überholen, an denen ich gerade vorbeigezogen bin, kommt langsam hoch. Selber da stehen, als wäre man es zu schnell angegangen. Nein, dass hatte ich schon zu oft. Nicht heute, dafür lief es bis jetzt zu gut! Außerdem hast Du noch Luft. Zum Glück kann ich mein Tempo halten.
Ein letztes Mal geht es an den Streckenposten am Stadion vorbei. Sie schreien einen Läufer neben mir regelrecht ins Stadion. Ich muss noch einmal diesen dämlichen Berg hoch. Bei jedem Streckenposten, an dem ich in dieser Runde vorbeikomme bedanke ich mich! Mehr als ein „Danke!“ und Daumen hoch, bekomme ich nicht mehr hin.
Auf dieser Runde kann ich nochmals ein paar Läufer einsammeln. Auf der Strecke nach dem „Steilhang“ sehe ich in der Ferne noch weitere Läufer. Die Motivation ist da, aber sie dann doch zu weit weg.
Auf dem Weg zum Stadioneingang tauchen vor mir zwei Läufer auf, die sich auslaufen und miteinander reden. Sie sind so sehr ins Gespräch vertieft, dass sie mich zunächst nicht bemerken. Sie laufen immer weiter nach links, genau in meine Richtung, wenn die gleich nicht weg gehen, dann sagen ich denen was! Die ganze Zeit mache ich den schnelleren Läufern Platz, nun können die auch mal auf mich Rücksicht nehmen. Während ich mir meine Worte schon zurecht lege, dreht sich einer der beiden um, sieht mich und springt sofort zur Seite. „Hey, Du siehst noch gut aus! Jetzt nicht einbrechen, komm gib noch mal alles!“. Er läuft mit mir ein Stück und ich gebe noch mal alles.
Endlich darf auch ich ins Stadion einbiegen. Vorbei an einem Pommes- und Bierstand geht es auf die fehlenden halbe Stadionrunde.
Der Läufer vor mir wird aufgerufen, viel kann ich nicht mehr zulegen, aber ein bisschen was von Endspurt versuche ich noch auf die Tartanbahn zu bringen. Dann wird auch mein Name aufgerufen und ich bin im Ziel.
Geschafft. 10.95km in 1:03:33 (5:48 min / KM) und 146 Höhenmeter!